Forever Young
Facelift, Brustvergrößerung, Botox:
Ärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie kennen viele Mittel und Methoden, um ihre Patienten besser aussehen zu lassen. Allerdings sind Schönheitsoperationen keine Wellness-Behandlungen, sondern Eingriffe mit Risiken und Nebenwirkungen.
In Klatschpostillen oder auf Promi-Portalen haben sie ihren festen Platz: Fotoserien von Filmstars oder anderen schönen Menschen, die irgendwie nie älter zu werden scheinen. Stets begleitet von Spekulationen, ob da wohl ein wenig ärztliche Nachhilfe im Spiel war. Fragt man die Abgebildeten selber nach ihrem Geheimrezept für ewige Jugend, so geht die Antwort meist in Richtung „Yoga, viel Gemüse und gute Gene“. Botox oder Lifting? Auf keinen Fall!
Über den Gang zum Schönheitschirurgen spricht man nicht gerne öffentlich. Das ist in Hannover nicht anders als in Hollywood. So gesehen hat die „Klinik am Aegi“ von Dr. Hans-Detlef Axmann einen unschlagbaren Standortvorteil: Sie ist in einem Seitentrakt des Maritim-Stadthotels untergebracht. Ob Gast oder Patient, ob Einchecken zum Kurzurlaub oder zur OP – das bleibt privat.
Auch Dr. Katrin Müller weiß, was Diskretion ihren Patienten bedeutet. Ihre Klinik für Ästhetische und Plastische Chirurgie am Schiffgraben in Bahnhofsnähe hat zwei Eingänge. „Nach einem Facelift oder anderen Gesichtsoperationen verlassen manche Patienten das Gebäude schon lieber durch den Hintereingang“, erzählt die Ärztin. Mit angeschwollenem Gesicht nach der OP möchte niemand gerne der Nachbarin oder dem Arbeitskollegen über den Weg laufen.
Ob Mann oder Frau – bei der Schönheit wird gerne nachgeholfen. Doch kaum jemand spricht öffentlich darüber.
Anonym befragt bekennen sich Frauen und Männer schon eher zur ärztlichen Schönheitsnachhilfe. In einer repräsentativen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der „Apotheken-Umschau“ gab in diesem Jahr jeder 40ste Befragte – 2,9 Prozent der Frauen und 1,9 Prozent der Männer – an, sich schon einmal einem schönheitschirurgischen Eingriff unterzogen zu haben. Das waren insgesamt 0,5 Prozent mehr als bei einer Umfrage vier Jahre zuvor. Nach einem „Boom“ der Schönheitschirurgie, wie ihn manche Medienschlagzeilen unterstellen, sieht das dennoch nicht aus. Drei Viertel der Befragten lehnten in der aktuellen Umfrage Schönheits-OPs für sich selber sogar grundsätzlich ab. Ein gutes Drittel der Männer, die in einer festen Partnerschaft leben, hätte jedoch nichts gegen eine Schönheits-OP ihrer Partnerin einzuwenden. Wie Frauen dazu stehen, wenn ihre männlichen Partnern sich beim Aussehen nachhelfen lassen, erfahren wir aus den veröffentlichten Ergebnissen leider nicht.
Zuverlässige Statistiken darüber, wie viele Brustvergrößerungen, Gesichts- oder Bauchstraffungen, Fettabsaugungen oder Faltenunterspritzungen tatsächlich in Deutschland vorgenommen werden, gibt es nicht. Es kursieren Schätzungen von 500.000 bis zu einer Million Eingriffe, doch eindeutig zu belegen sind sie nicht. Es ist noch nicht einmal bekannt, wie viele Ärzte sich eigentlich auf diesem Gebiet betätigen, denn neben dem Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, der eine sechsjährige Weiterbildung absolviert hat, darf auch jeder andere approbierte Arzt Schönheitsoperationen und -behandlungen vornehmen. Ein HNO-Arzt dürfte nicht nur Nasen korrigieren, sondern beispielsweise auch Bauchfett absaugen. „Schönheitschirurg“ ist keine geschützte Bezeichnung. Selbst ausgebildete Heilpraktiker dürfen Botox oder andere Anti-Falten-Mittel spritzen. Von einem „grauen Markt“ oder einer „Grauzone“ sprechen die Ärzteverbände DGPRÄC (Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen) und DGÄPC (Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie).
Jeder approbierte Arzt darf Schönheitsoperationen und -behandlungen vornehmen.
Etwa 1.000 ausgebildete Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie gibt es nach Auskunft der Berufsverbände in Deutschland. Ein knappes Dutzend davon praktiziert im Raum Hannover, darunter Dr. Katrin Müller und Dr. Hans-Detlef Axmannn. Zu ihrem Behandlungsangebot gehören Brustvergrößerung und -verkleinerung, Straffen von Augenlidern, Gesichtern und Dekolletés, Fettabsaugen an verschiedenen Körperzonen, Nasen- und Ohrenkorrekturen, Anti-Faltenbehandlungen und vieles mehr. „Die Altersspanne meiner Patienten reicht von 18 bis zu 88 Jahren“, so Dr. Kathrin Müller „der größte Teil sind Frauen, aber auch Männer werden zunehmend körperbewusster.“ Dr. Axmann schätzt, dass etwa 80 Prozent seiner Patienten weiblich sind. Den viel zitierten Trend zu Schönheits-OPs bei Jugendlichen – Stichwort: Brustvergrößerung zum 16. Geburtstag – wollen beide Ärzte aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. „Natürlich kommen Eltern mit ihren Kindern in die Sprechstunde“, sagt Dr. Axmann, „aber da handelt es sich vorwiegend um abstehende Ohren oder ähnliche Dinge. Wenn Brüste bei Jugendlichen überhaupt ein Thema sind, dann geht es um Fehlbildungen.“
Nach einer Erhebung der DGPRÄC lag der Anteil Minderjähriger unter den Patienten ihrer Mitgliedsärzte 2012 nur bei 1,3 Prozent, wobei es sich zu fast 90 Prozent um Ohrkorrekturen handelte. Allerdings wurden damit nur die Operationen von Fachärzten erfasst. Auch der Verband DGÄPC führt Befragungen durch, und zwar bei den Patienten seiner Mitgliedsärzte. Und auch diese Zahlen sprechen nicht unbedingt für einen Jugendtrend. Im Gegenteil: Das Alter der Patienten steigt und liegt nach der jüngsten Umfrage von 2014 im Durchschnitt bei knapp über 40 Jahren. Während für Brustvergrößerung, Nasenkorrekturen und Eingriffe im Intimbereich das Durchschnittsalter bei Anfang 30 liegt, nehmen von Ende 30 bis Ende 40 Brust- und Bauchstraffungen, Fettabsaugung und Botox Behandlungen zu. Im höheren Alter führen dann die klassischen Anti-Aging-Maßnahmen wie Faltenunterspritzungen, Lidstraffung und Lifting an Hals, Stirn und Gesicht die Bestsellerliste an. Die Alterskurve verläuft übrigens bei beiden Geschlechtern (von der Brustvergrößerung einmal abgesehen) sehr ähnlich. Ausnahme: Männer fangen früher mit Botox, aber später mit Fettabsaugen an. „Jede Altersstufe hat ihre eigenen Vorstellungen von Schönheit“, sagt die Enddreißigerin Dr. Katrin Müller. Sie selbst macht kein Geheimnis daraus, dass sie sich selber hat Fett absaugen lassen und mit Botox „gegen die Zornesfalte auf der Stirn“ vorgeht. „Jüngere Frauen“, meint sie, „gehen offensiver damit um, wenn sie Probleme mit ihrem Äußeren haben. Sie nehmen das nicht einfach so hin, sondern informieren sich und gehen sie an.“
Der Wunsch nach einem „verbesserten Lebensgefühl“ ist für über 70 Prozent der Frauen und Männer der Grund, sich unters Messer zu legen.
Was empfinden denn jüngere Frauen als Schönheitsproblem? Dr. Katrin Müller nennt als Beispiele unter anderem kleine Brüste, Hautschürzen nach massivem Abnehmen, aber auch müde oder unfreundlich wirkende Gesichtszüge. “Manche Patientinnen sind es leid, ständig gefragt zu werden, ob sie wohl schlechte Laune hätten, obwohl das gar nicht der Fall ist.”
“Laut Patientenbefragung der DGÄPC versprechen sich über 70 Prozent der Frauen und Männer von einer Schönheitsoperation in erster Linie ein „verbessertes Lebensgefühl“. Rund ein Viertel möchte „ein Ideal erreichen“. Laut der eingangs erwähnten Umfrage der GfK für die „Apotheken-Umschau“ glauben drei Viertel der Frauen und Männer, dass es attraktive Menschen im Leben leichter haben und rund 18 Prozent fühlen sich von den Abbildungen schlanker Körper und makelloser Gesichter in den Medien unter Druck gesetzt. Sozialwissenschaftliche Studien weisen zumindest darauf hin, dass als attraktiv angesehene Menschen auch im Beruf erfolgreicher sind. Kann eine Schönheits-OP tatsächlich die Karriere fördern? Das sei durchaus möglich, meint Dr. Hans-Detlef Axmann. Allerdings sieht er eher einen indirekten Wirkungsmechanismus: „Wenn sie besser aussehen, dann fühlen sich die Menschen wohler, befreiter und sicherer. Damit kommen sie bei anderen auch besser an.“
Allerdings hat jede Schönheitsoperation auch ihren Preis. Damit sind nicht nur die meist vierstelligen Euro-Beträge gemeint, die bei rein ästhetisch motivierten Behandlungen privat bezahlt werden müssen, sondern auch Belastungen, Risiken und Nebenwirkungen. Narkosen sind notwendig, später bleiben Narben. Man muss vorübergehend Verbände oder Korsetts tragen und Schmerzmittel einnehmen. Es können Nerven geschädigt werden, Hautteile absterben oder verwachsen. Manchmal müssen Implantate ausgetauscht werden. Seriöse Ärzte verschweigen nicht, dass Schönheitschirurgie kein Wellness-Urlaub ist. „Jede Operation ist eine Körperverletzung“, sagt Dr. Axmann, „und so erkläre ich das auch den Patientinnen und Patienten. Ich spreche ausführlich über die Vor- und Nachteile.“ Häufig stellten Patienten dann fest, dass sie sich die ganze Angelegenheit doch einfacher vorgestellt haben. „Etwa 40 Prozent entscheiden sich nach dem Beratungsgespräch gegen einen Eingriff“, so Dr. Axmann. Um sich operieren zu lassen, müsse „der Leidensdruck größer sein als die Angst vor der OP.“
Schwierig wird es allerdings, wenn Patienten einen ganz besonderen Leidensdruck empfinden, weil sie nicht nur mit dem einen oder anderen „Makel“ hadern, sondern mit ihrem gesamten Körperbild, wenn sie sich rundum hässlich oder entstellt finden. Eine solche krankhafte Störung der Körperwahrnehmung, Dysmorphophobie genannt, ist kein Fall für den Schönheitschirurgen, sondern für den Psychologen. „Diese Patienten darf ich auf keinen Fall operieren, schon allein aus Selbstschutz nicht“, sagt Dr. Axmann, „egal wie viele Operationen – sie würden nie zufrieden sein.“ Bis jetzt habe er den „krankhaften Drang zum Verschönern“ immer noch rechtzeitig erkannt. Er räumt aber ein, dass sich nicht wenige Menschen „an der Grenze“ bewegten.
Allerdings ist – auch bei ausgewiesenen Fachärzten – die Beratung nicht immer so ausführlich und kompetent wie sie sein sollte. Nicht in jeder Klinik für ästhetische Chirurgie wird ausreichend über Risiken aufgeklärt und erkundet, ob die Patientin oder der Patient nicht doch eher ein psychisches Problem hat. Das ergaben stichprobenartige Tests und Befragungen, zum Beispiel des Deutschen Instituts für Service-Qualität, der Stiftung Warentest oder Verbraucherzentralen. Wer eine Schönheitsbehandlung oder -operation plant, sollte deshalb die Klinik, den Arzt oder die Ärztin sorgfältig auswählen. Die Fachgesellschaft DGPRÄC hat auf ihrer Internetseite eine Checkliste als Hilfestellung für die Arztsuche und -wahl veröffentlicht.
Eine Schönheits-OP ist keine Lappalie, sondern ein ernstzunehmender Eingriff mit Risiken und Nebenwirkungen.
Etwas in Vergessenheit gerät manchmal angesichts von Hype und Kontroverse um Botox-Boom oder Jugendwahn, dass sich die Plastische und Ästhetische Chirurgie nicht allein um „Schönheitskram“ kümmert. Nach Angaben der DGPRÄC sind etwa ein Drittel der Operationen, die ihre Mitgliedsärzte vornehmen, ästhetisch begründet. Sonst aber behandeln sie Patienten nach Unfällen oder schweren Erkrankungen, ersetzen verbrannte oder zerstörte Haut- und Gewebepartien, verpflanzen Nerven- und Muskelstränge, rekonstruieren Brüste nach einer Krebsoperation mit Eigengewebe oder Implantaten, machen Hände nach Verletzungen wieder funktionsfähig. An der Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie (PHW) an der Medizinischen Hochschule Hannover machen diese wiederherstellenden Operationen rund 90 Prozent der Behandlungen aus. Nur 10 Prozent sind sogenannte Wahleingriffe und Schönheitsoperationen im engeren Sinne. Für Klinikleiter Prof. Dr. Peter Vogt sind die Übergänge zwischen plastischkorrektiven Behandlungen fließend. „Das ist ein Kontinuum. Auch bei der Wiederherstellung nach einem Unfall oder einer Krankheit spielt natürlich die Ästhetik eine Rolle“, sagt Vogt, der auch einige Jahre Präsident der DGPRÄC war. Zu den Aufgaben der Universitätsklinik gehören außerdem die Entwicklung neuer Verfahren und Operationstechniken sowie Studien zur Qualitätssicherung. So beschäftigen sich die Mediziner beispielsweise mit innovativen Techniken zur Regeneration von Gewebe, um in Zukunft Patienten weniger invasiv und mit weniger Narben behandeln zu können.
Auch Dr. Hans-Detlef Axmann und Dr. Katrin Müller haben als Fachärzte im Laufe ihres Berufslebens diese anderen Seiten der plastischen Chirurgie kennengelernt, bevor sie ihre privaten Kliniken eröffneten. Beide arbeiten heute gerne mit Patienten, deren Nöte nicht unbedingt existenziell sind, denen sie aber, so Katrin Müller „zu mehr Lebensfreude und Selbstwertgefühl“ verhelfen könnten. Den früheren Berufsalltag in einer Klinik, in der es häufig auch um Leben oder Tod geht, hat die Ärztin dennoch nicht vergessen: „Bei manchen meiner Patienten frage ich mich dann schon, ob es wirklich so dramatisch ist, wenn nach der OP von zehn Falten noch eine übrig geblieben ist. Dass jede Behandlung ihre Grenzen hat, will nicht immer wahrgenommen werden.“
aus “RegJo Hannover”, IV 2014
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